Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (2024)

Table of Contents
Poesie und Hard Facts Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen. Stelzhamer, der Homer Obersterreichs Moderne Schulfilme in Frankreich Das fllittelmeer Kaj Münk — der Mensch und der Dichter Christentum in der Sprache unserer Zeit Um die Heimstatt des guten Buchs VON NEUEN BÜCHERN Abendland und östliche GeisteshaltungVON NEUEN BÜCHERN Phönix oder Haushahn? VON NEUEN BÜCHERN Zwischen Hudson und Donau VON NEUEN BÜCHERN VON NEUEN BÜCHERN VON NEUEN BÜCHERN Eine neue wissenschaftliche Vierteljahrsschrift „Das Herz der Sache“ VON NEUEN BÜCHERN Der Weg der Naturwissenschaft Jugend und Weltliteratur Im Schatten der Macht Pyramidenzeit Die Versuchung des Faschismus Der andere Ton Fünf Jahre „österreichische Furche“ Junge österreichische Autoren Wenn die weiben Haschen gestorben sind.. An der Wende der Zeit Epos einer tragischen Zeit Prosa aus österreichischen Verlagen Unser heutiges Jugendbuch Problematischer religiöser Roman Neue österreichische Lyrik Priester liehe Existenz Unde malum? Das Geheimnis meines Friedens Zwischeneuropa Der Friede und der Dialog Kindneit in Schmerlen Endstation: „Heimatlose Linke“? Romane Dekadenz des Friedens Dichter, Buch und Volk „ … sondern im Wohnhause“ Uber Hilaire Belloc Vom irdischen Katzenjammertal und von der Unlustseuche Utopie und Theater Zwischen Eis und Feuer Nach dem Tauwetter — Tauziehen Der nächste Schritt Die Spitzhacke über der Rauchfangkehrerkirche Ein Nachruf auf die Presse Der diplomatische Januskopf Die Idee der Weltherrschaft Polen im Jahre 3 Welt und Umwelt im Roman Der Schatten Winkelrieds Flaschenpost aus Polen BRIEFE AUS WIEN Deutschland, Polen und Europa Zeiten und Zonen im Spiegel Jenseits von Weichsel und Bug Dämmerung des Nationalmasodiismus? IN DER CASA CAROSSA ÜBER CHARLES PEGUY ROMANAUTOREN UND KRITIKER Literarische Ursprünge des Marxismus DER VERLIEBTE ÖSTERREICHER ODER JOHANNES BEER Wien ist uns naher GRENZLANDSCHAFT DER DEUTSCHEN SPRACHE BON VOYAGE! Eiserner Vorhang 1966 Der rote Balkangürtel LOCKENDE TIEFE DER OBERFLÄCHE Abschied von Wien „DAS OHR INS OHR LEGEN .. UNRUHE DER VERANTWORTUNG Die gestundete Zeit Polen heute Ärgernisse eines schönen Sommers Che Guevara und Mondmann Die verschwundene Pieta Sonne und Blitzblank Aus Schwejks Land Die Dichter Polens träumen frei Im Lichte der Nordrose Gelassenheit statt machtvollem Wollen Gespräch im Park Gefecht mit dem Hirnlosen Für das sprachliche K unstiverk Dostojewskijs Erben Drago Jančar: Angst bei offener Tür Tod, Alter, Körper Ein frischer Wind Europa Lesen Geschäft Der Zukunft Ich ist ein anderer Eine besondere Art der Landes-Kunde Stille Post: Fünf Briefe zu Weihnachten Catalin Dorian Florescu: Erzählen. Phantasieren. Überleben. Radikale Gegenwart: Über Theologie und eine verdunkelte Kirche
Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (1)

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Literatur

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Andrzej Stasiuks neuestes Buch „Beskiden-Chronik“ versammelt 76 Texte, die ursprünglich in einer polnischen Wochenzeitung erschienen sind. Elegant wechselt der Autor zwischen poetischen Landschaftsschilderungen und der Beschäftigung mit aktuellen politischen Themen.

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Andrzej Stasiuks neuestes Buch „Beskiden-Chronik“ versammelt 76 Texte, die ursprünglich in einer polnischen Wochenzeitung erschienen sind. Elegant wechselt der Autor zwischen poetischen Landschaftsschilderungen und der Beschäftigung mit aktuellen politischen Themen.

Georg Dox

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In Zeiten, in denen das Reisen deutlich erschwert wird, haben Berichte von fremden Ländern und Menschen ihre Stunde. Welthaltige Literatur ist gefordert, wenn zu Hause bleiben oberste Pflicht ist. Kurzweil und Anregungen aller Art dienen als Antidot gegen das Einerlei der Quarantäne. Das neueste Buch des polnischen Romanciers Andrzej Stasiuk hätte sich keine besseren Voraussetzungen für sein Erscheinen wünschen können.

Im weitesten Sinne handelt es sich bei Andrzej Stasiuks „Beskiden-Chronik“ um Reiseliteratur. Allerdings führt der Autor nicht an Orte, die zu touristischen Standardzielen zählen: Er durchstreift in seinem Geländewagen den südöstlichsten Winkel Polens (= Beskiden – hier: westlicher, polnischer Teil des Karpatenbogens), es geht aber auch weiter hinaus, nach Russland, nach Kasachstan oder in die Mongolei. Es zeichnet ihn als erstrangigen Autor aus, dass Stasiuk nur wenige Sätze braucht, die jeweiligen Situationen vor dem inneren Auge des Lesers erstehen zu lassen. Allerdings, ehe man sichʼs versieht, ist Stasiuk mit seinem absichtsvoll absichtslosen Erzählen schon wieder einen Schritt weiter. Man kommt dem Autor nicht gleich auf die Schliche, weil er so virtuos die Register wechselt: Stasiuk hat es gar nicht auf die pure Beschreibungskunst angelegt, hier geht es um alles, um Gott und die Welt und wie und in welchem Zustand sich diese Welt heute präsentiert: In den Beskiden, in Kasachstan, in der Mongolei oder wo auch immer.

Poesie und Hard Facts

Persönliche Befindlichkeiten sucht man vergebens. Auch die Form wäre hier dawider. Das Buch versammelt 76 Texte, die im Feuilleton einer polnischen Wochenzeitung erschienen sind. Regelmäßig erscheinende Kolumnen sind eigentlich eine Galeerenstrafe: Selbst der Talentierteste kann nicht 76 Mal originell sein und dabei auch noch recht haben. Stasiuk ist dieser Gefahr beispielhaft ausgewichen. Als erfahrener Erzähler hat er es anders gemacht. Für seine elegante Mischung aus Poesie und Hard Facts hat er einen sehr persönlichen Sound gefunden, der den Leser in eine gewisse Vertrautheit zieht und ihn am Ende, ja, bezaubert und süchtig macht …

„Eine schöne Jahreszeit. Noch keine Blätter an den Bäumen, die Landschaft weit und durchsichtig. An sonnigen Tagen wird die Welt doppelt so groß. Nichts verstellt die Sicht. Es ist ein bisschen, als würden wir in die Unendlichkeit blicken.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

1946

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (2)

Stelzhamer, der Homer Obersterreichs

Von Franz Stelzhamer wieder einmal zu sprechen ist keineswegs ein unzeitgemäßes Beginnen, wenngleich keine zahlenrunde Wiederkehr seines Geburts- oder Sterbejahres hiezu Anlaß gibt. Geht es doch heute allenthalben darum, den geistigen, den unzerstörbaren Schatz zu sichten, der uns inmitten der Trümmer äußerlichen Besitzes verblieben ist, uns seiner bewußt zu werden und ihm gebührende Würdigung zu sichern.Eines Abends schlägt dem schon Zwei-unddreißigjährigen im Herrenstübl des Schärdinger Einkehrbräuhauses unversehens seine Schicksalsstunde. Kläglich genug ist er in der

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (3)

Moderne Schulfilme in Frankreich

In einer kleinen Seitenstraße der avenue de l'opera, ragt ein schmalbrüstiger Bau mit breitausladenden Fenstern, die fast die ganze Front ausmachen, in den Himmel hinein und tritt weiter von der Fahrbahn zurück als die Häuser seiner nächsten Umgebung. Die ernste ruhige Aufschrift „Filmes specialites Eclair“ bezeichnet die Arbeitsstätte eines der modernsten Film-instituter von Paris..Weit in seinen Armstuhl zurückgelehnt sitzt der Herr und Leiter dieses Unter-nehrhens, Monsieur Dumonteil, seinen Besuchern gegenüber. „Die Not Frankreichs, die Jahre der Bedrückung haben Spuren auch

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (4)

Das fllittelmeer

Aus dem Holländischen übertragen von Van Veering, Haarlem Wer schreibt, schreibe im Geiste dieses Meeies oder er schreibe nicht; hier liegt das Mondsteinriff, das standhält, wenn die Flut uns überfällt und die Kultur so wie Atlantis sinkt; hier allein streicht der Flügelschlag des Lichtes die Kimme des dreifalt'gen Kontinentes, das unsrem Lied den blanken Abglanz schenkt von sanftem Elfenbein und schwarzem Ebenholz und in den Trunk den Duft der Rosen mischt mit den Ekstasen der Weinstockranke. . Hier wogt die Nacht des Dionysosschiffes, das von den Säulen bis zu dem Hellespont und von

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (5)

Kaj Münk — der Mensch und der Dichter

Ein Wort Sören Kirkegaards, das als Motto übet dem Drama „Ein Idealist“ steht, könnte über Kaj Münks ganzes Leben und Werk gesetzt werden: „Die Reinheit des Herzens ist, eines zu wollen.“ Münks dringendes Bedürfnis war es, rücksichtslos in genauer Ubereinstimmung mit seiner Lebenslinie, mit seinem Lebensziel und seiner Lebensform zu handeln. In seinem Wesen selbst aber liegen große Gegensätze. Ein scharfer Intellekt bewacht ständig sein starkes, leidenschaftliches Gefühlsleben. Sein Individualismus enthält revolutionäre Elemente, die auch in seinen freien,

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (6)

Christentum in der Sprache unserer Zeit

Als wir im Sommer 1943 aus Afrika nach den Vereinigten Staaten und damit in die geordneten Verhältnisse eines Stammlagers kamen, gab es für diejenigen von uns, die bisher unter Zwang schweigen mußten, nur eine Empfindung: Befreit zu sein aus der Knebelung einer ständigen Überwachung und eine relative Freiheit gewonnen zu haben. Das mag paradox klingen, wenn man daran denkt, daß wir doch in der äußerlichen Unfreiheit des Stacheldrahtes, der Wachtürme und der Maschinengewehre leben mußten, aber es ist nicht paradox, wenn man weiß, daß es nicht um die äußerliche Freiheit geht,

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (7)

Um die Heimstatt des guten Buchs

In seinem Buch „The apostolate of the public opinion“ meint P. Felix Morlion, der belgische Initiator der heute vorwiegend in der Neuen Welt beheimateten Pro-Deo-Bewegung, daß Papier und Zelluloid die hauptsächlichsten Regenten des Ideenkampfes geworden seien. In der Tat haben Buch, Zeitung und Film eine Art von Weltherrschaft angetreten, wozu sich als vierter Kronprätendent der Rundfunk gesellt hat. Die zunehmende Vermassung hat die Breitenwirkung dieser Ideenmittler vermehrt. Die großen Gleichschaltungsvorgänge, die unser Jahrhundert zusehends kennzeichnen, ob nun diktatorisch und

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (8)

VON NEUEN BÜCHERN

Im Jahre 1934 wurde von Lord Loyd und seinen Freunden das Werk des British Council ins Leben gerufen, eine Gründung, die berufen war, neben den diplomatischen und wirtschaftlichen Vertretungen Großbritanniens im Ausland ein dritte Madit wirken zu lassen: das Verstehen des englischen Geisteslebens und englischer Kultur. Der British Council sollte, wie das Programm besagt „England im weitesten Sinne des Wortes jenen Menschen nahebringen, die nicht in den Vereinigten Königreichen leben.“ Nodi im November 1934 erhielt dieser Plan durch eine Royal Charter sein Fundament und die Zusicherung

1947

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (9)

Abendland und östliche GeisteshaltungVON NEUEN BÜCHERN

Amadeo Silva-Tarouca: Humanistische Tradition und östliche Geisteshaltung im Mittelalter (11. Heft, der Schriftenreihe: Ewiger Humanismus), Innsbruck, Felizian Rauch, 1947.Ausgehend von dem Versuche, Rolle und Bedeutung der humanistisch-antiken Kulturelemente im geistigen Aufbau des Mittelalters festzustellen, rührt Amadeo Silva-Tarouca in “ dieser Schrift an die Grundfragen des geistigen Lebens überhaupt. Er gibt eine von der Gesamtschau der weltgeschichtlichen Zusammenhänge her konzipierte Bestimmung der Begriffe „Abendland“ und „Europa“. Demgegenüber nennt er östliche

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (10)

Phönix oder Haushahn?

Von allen Berühmtheiten Wiens ist sein Ruf als Stadt der Musik am weitesten verbreitet, am höchsten geschätzt und durch Krieg und Gewalt am wenigsten geschädigt. Wie ein Phönix erhebt sich oft österreichisches Musiziern aus der Asche der materiellen und geistigen Nöte.„Aber der Phönix präsentierte sich als ordinärer Haushahn.“ An dieses Wort Heines wird der Wiener erinnert, der sich jetzt nach schwerem Tagwerk und leichter Kost zu später Abendstunde ans Radio setzt und Musik hört. Was nützen ihm die Sendungen des Tages und wären sie Nachtigallenchöre! Er kann sie, da er

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (11)

VON NEUEN BÜCHERN

Der 1943, knapp vor seinem siebzigsten Geburtstag verstorbene Dichter Heinrich Suso Wal deck ist heute dem Gedächtnis seiner Landsleute fast entschwunden. Wenn irgendwo der schmal gewordene Besitzstand der österreichischen Gegenwartsdichtung gesichtet wird, fehlt sein Name, und dies nicht nur bei jenen, die allein die Diditung der Emigration od* eben noch Franz Kafka gelten lassen. Ich hege den Verdacht, daß viele, die heute über österreichische Dichter sprechen, das Werk Heinrich Suso Waldccks überhaupt nicht kennen. Zumeist ohne ihre Schuld. Die geringen Auflagen seiner Gedichte und

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (12)

Zwischen Hudson und Donau

Dem Julius-Reich-Preisträger ' Ernst Waldinger, dessen Gedichtbände „Die Kuppel“ i1934) und „Der Gemmenschneider“ (1936) ein klangvoller Beweis- dafür waren, daß Österreich noch immer reich an Formkünstlern sei, ging es in der vielfältigen Thematik seiner Gedichte, die voll der Musik waren, vor allem um die Rettung der „Gestalt“. Sie aus dem Chaos der brodelnden Zeit zu erheben, sah er als seine vornehmste Aufgabe an. Die geistige Kuppel über den vielgestaltigen Plan der Erscheinungen zu wölben, war das Ziel seines meisterlichen Handwerks. Er selbst saß unter dieser

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (13)

VON NEUEN BÜCHERN

Die Verfasserin nennt ihr Werk * selbst ein „besinnliches Nachschlagbüchlein für den Unterricht an Frauenberufsschulen für die Hand der Lehrerin.“ Was sie mit diesem Buch geben will, hält Dr. Harmer: aus reichem Wissen und warmen Herzen eine Fülle von Anregungen, die, von den Lehrenden klug aufgegriffen und genützt, der charakterlichen Heranbildung der Schulerinnen wertvolle Dienste leisten können. Schon die Lehrmethode, die eingangs behandelt wird, löst sich vom üblich Lehrhaften, Doktrinären und gibt in einer aufgelockerten Art der Auseinandersetzung zwischen Lehrkraft und

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (14)

VON NEUEN BÜCHERN

Als der bayerische Herodot Johannes Turmair (1477 bis 1534), nach seinem Geburtsort Abensberg (Aventinum) an der Donau Aventinus genannt, für seine ursprünglich gar nicht zur Veröffentlichung bestimmten, erst nach seinem Tod erschienenen „Annalmm Boiorum libri VII“ nebst vielen anderen Schriftstellern auch des „Bernardus Noricus monadius in Chrembs-munster de rebus Boiorum“ verwendete, ahnte er wohl kaum, daß er damit ein Problem geschaffen hatte, dessen Lösung seitdem durch lange Zeit vergeblich gesucht worden ist. Es handelt sich um die Persönlichkeit des Verfassers der

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (15)

VON NEUEN BÜCHERN

1910 hat W. Schmidts Pygmäenbuch die menschheitsgeschichtliche Bedeutung der Zwergvölker dargelegt und zu ihrer Erforschung aufgerufen. Der diesen Ruf verstand und seine Erfüllung als sein Lebenswerk aufnahm, ist der Verfasser des Buches „Menschen ohne Geschichte“1'. P. Schebesta ist der heute beste Kenner der Zwergvölker der Erde, Afrikas sowohl wie Asiens. Das Buch, kriegsbedingt sechs Jahre nach der Abfassung des Manuskripts erschienen, will Bericht erstatten über eine unmittelbar noch vor Ausbruch des letzten Weltkrieges unternommene Forschungsfahrt nach den Philippinen und nach

1948

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (16)

Eine neue wissenschaftliche Vierteljahrsschrift

Nicht weniger als der materielle Aufbau tut der geistige not, ja er ist die Voraussetzung des materiellen. Ein solcher setzt eine systematische Bildungsarbeit, vor allem die Kenntnis der Forschungsergebnisse voraus, von denen wir infolge der Verhältnisse allzulange ab- gesdinitten waren; das verlangt Gedankenaustausch der an der Forschung beteiligten Gelehrten und Formung eines Weltbildes auf Grund der Forschungsergebnisse der verschiedenen Zweige der Wissenschaft.Diesem Ziele dient die neue Vierteljahrsschrift für alle Gebiete der Forschung, die im Verlag „Herold”, Wien VIII, mit der

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (17)

„Das Herz der Sache“

Anders als die Franzosen oder die Russen schildern die Engländer menschliche Abgründe, Nachtseiten und den Hang zum Bösen. Nicht F. Dostojewskis wilden Ausbrüchen der Laster, nicht H. de Balzacs grotesker Tragik noch A. Gidės lyrisch-einfühlender Da-stellung diffiziler innerer Problematik ist Graham Greenes Dichtung verwandt. Sie ist eigenständig. Dennoch entspringt sie aus einer Grundstimmung, die in den Jahrhunderten der englischen Geistesgeschichte immer wieder aufleuchtet: von Shakespeares Macbeth, Dickens’ Oliver Twist bis zu Chestertons hintergründigen

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (18)

VON NEUEN BÜCHERN

Die Urfrage nach dem Bösen drängt in der Geschichte zurück bis zum ersten Menschen. Davon wissen die Urmythen ebenso eindringlich zu berichten wie die Schriften der Offenbarung. Es gibt kein Volk und keine Religion, die nicht in Theorie, Glaube und Phantasie dieser Urgrundhaften Erscheinung nachzuspüren suchte. In dem Maße, wie der neuzeitliche Mensch der Verflachung und Verdiesseitigung anheimgefallen ist, verlor er auch das Wissen um die entscheidenden Tatsachen seines Daseins. Auch das gehört zu jenem unfaßbaren Geheimnis, daß es in stets neuer Verkleidung wirkt und den ahnungslos

1949

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (19)

Der Weg der Naturwissenschaft

Zu dem Buche: „Die Naturwissenschaft auf dem Wege zur Religion.“ Von Bernhard Bavink. Thomas-Morus-Verlag, Basel.

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (20)

Jugend und Weltliteratur

Lesebuch der Weltliteratur, Band 3, herausgegeben von Dr. Otto Rommel, Band 4, herausgegeben von Dr. Oskar Ma ar und Dr. Wilhelm Groß, Ostern Bundesverlag, Wien 1949

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (21)

Im Schatten der Macht

Ein Budi vom Gift der Welt. Von Bruno Brehm. Leopold Stocker Verlag, Graz und Wien.

1950

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (22)

Pyramidenzeit

Das vorliegende Buch füllt wirklich eine Lücke aus. Nur der Altmeister der ägyptischen Altertums- und Religionskunde, Professor Dr. H. Junker, konnte es uns schenken. Schon vor 25 Jahren deutete der Verfasser dem Referenten einmal an, daß er im Bereich seines Fachgebietes Dingen auf die Spur gekommen sei, die Professor W. Schmidts Forschungsergebnis von dem relativ höchsten Alter einer verhältnismäßig hohen und reinen Gottesidee wohl zu stützen vermöchten. Die Sache sei aber noch nicht genügend ausgereift, r könne daher erst später darauf zurückkommen. Höchst bedeutsam und

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (23)

Die Versuchung des Faschismus

Wir geben im folgenden einer namhaften deutschen priesterlichen Stimme über ein brennendes Gegenwartsproblem Raum, das in seinen zahlreichen Maniiesta-tionen nicht auf Deutschland allein beschränkt ist. Eine ernste Stimme, die nidit überhört werden sollte, gerade wenn man — wie auch wir selbst — in manchen Teilbezügen anderer Meinung sein mag.„Die österreichische Furche“Die Geschichte hat ihre eigene Konsequenz. Die politischen Strömungen und Ereignisse kommen nicht von ungefähr, sie sind immer das Bild des jeweiligen Menschen. In diesem Sinn macht jeder Mensch Geschichte und

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (24)

Der andere Ton

Zwei schmale Bände, Prosa und Gedichte, beide zusammen ergeben eine Sammlung, eine Auswahl aus einer Flut von Impressionen — ein Ausschnitt aus einem Lebensweg. Aus dem Leben eines jungen Menschen, der in den letzten 20 Jahren im Sturm unserer Zeit heranwächst. Gerüttelt und geschüttelt, oft über das Maß des Erträglichen. Die gutbürgerliche Kinderstube in Wien behütet mit den Träumen einer späten ästhetisierenden Schönheitskultur. Nachwehen des fln de siecle, der Loriswelt Hofmannsthalscher Prägung. Dann aber ist sofort das andere da: in Angst und Schrecken wird die Welt als

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (25)

Fünf Jahre „österreichische Furche“

Ein halbes Jahrzehnt ist eine kurze Spanne Zeit. Doch das Jahrfünft, dem diese überschau gilt und an dessen Anfang diese Zeitschrift hr Erscheinen begann, war lang genug, um ein Jahrhundert mit Erlebnissen zu übersättigen. In seinem Raum hat sich ein Wandel vollzogen, der künftige Historiker veranlassen wird, von hier an ein neues Zeitalter der Menschheitsgeschichte zu datieren. In diesen schicksalsschweren Zeitenablauf Einschau zu halten, heißt wieder der eigenen Stellung, wie bescheiden sie auch sei, der eigenen Verantwortung gewahr werden, wie klein oder wie groß sie sein möge —

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (26)

Junge österreichische Autoren

Ilse Aichingers Erstlingswerk, die Schicksale einiger von den Nürnberger Rassengesetzen aus der Gesellschaft ausgestoßener und unerbittlich verfolgter Kinder mit Leidenschaft, Liebe und Eifer — doch ohne Haß — als eine Apologie der Uberwindung des Schicksals durch seine persönliche Anerkennung darstellend, ist ein ungemeines, ein in seiner Weise großartiges Buch. Seine leidenschaftlichen, expressiven und bisweilen auch hektischen Teile, die ganz und gar aus dem Erlebnis kommen, werden in fast regelmäßigen Abständen von Passagen unterbrochen, in denen ein breites und tiefes Pathos

1951

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (27)

Wenn die weiben Haschen gestorben sind..

25 Uhr.“ Von Constantin Virgil Gheorglu. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart. 504 Selten

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (28)

An der Wende der Zeit

„Wie Im Traum wanderten wir späten Nachkommen durch diese Welt, angerührt von dem lebendigen Geist der Nation, zu der wir gehörten und über der schon damals die fernen Schatten des Unheils hingen, das sie wieder einmal in den Abgrund neuer Anfänge zurückschleudern sollte.“ Mit diesem Gefühl, diesen Gedanken durchwandert der Autor, von dem Freund Will Vesper geführt, das Schloß Siebeneichen der Familie Miltitz, deren Geschichte mit den Namen Cranach, Goethe, Novalis und Fichte verknüpft ist. Ein ähnliches Gefühl hat der Leser dieser Lebenserinnerungen, obwohl sie bis an die

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (29)

Epos einer tragischen Zeit

In diesem monumentalen, in sich geschlossenen Epos führt Martin du Gard seine berühmt gewordene Geschichte der Thibaults zu Ende. Er läßt uns teilnehmen, nein, er zwingt uns zur gespanntesten Anteilnahme an den Schicksalen der beiden letzten dieser tragischen Familie, Jacques', des idealistischen und so verworrenen Revolutionärs, und seines Bruders Antoine, des ordnungsliebenden, strebsamen, seinem Beruf ergebenen Arztes, die beide das Äußerste opfern für die Ziele, in denen sie ihre Pflicht erkennen Ihre Schicksale sind unentrinnbar verknüpft mit der weltweiten Katastrophe, die durch

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (30)

Prosa aus österreichischen Verlagen

Jagd im Nebel. Roman. Von Graham Greene. Paul-Zsolnay-Verlag, Hamburg. 338 Seiten.Dieses Buch Greenes, das auf dem Schutzumschlag als einer seiner „spannendsten Romane“ bezeichnet wird, ist in erster Linie ein hervorragendes Gemälde Englands. Mit ein paar Strichen, ein paar Worten gelingt es Greene, dieses Land zu zeichnen, Dieses Land mit seinen Grubenbesitzern, reich und vorsichtig, seinen Bergarbeitern, seinen Gewerkschaftssekretären, seiner Sonntagsruhe, seiner puritanischen Traurigkeit, seiner nationalen Disziplin, seiner Sattheit, seinen Slums, seinen hobbies, seiner Noblesse und

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (31)

Unser heutiges Jugendbuch

Daß die Lektüre der heranwachsenden Generation nicht nur unmittelbar Eltern und Erzieher, sondern alle Kreise unseres Volkes interessieren muß, tritt seit dem „Kampf gegen Schmutz und Schund“, den vor Jahren die katholische Jugend Österreichs ausgerufen hat, immer mehr ins Bewußtsein unserer BeT völkerung. Freilich wird die Aufgabe meist rein negativ gesehen: Abwehr gegen sittlich verderbliche Einflüsse von Schriften, auf die die Bezeichnung „Literatur“ füglich kaum mehr angewendet werden' kann. Im Kampfe „gegen“ sind verantwortungsbewußte Kreise, welcher Weltanschauung

1952

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (32)

Problematischer religiöser Roman

Paulus aus Taisos. Roman von Gerhart Ellert. F. Speidelsche Verlagsbuchhandlung, Wien 1951

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (33)

Neue österreichische Lyrik

Die eherne Waage. Gedichte aus fünfzehn Jahren. Von Natalie Beer. Europäischer Verlag, Wien 1951. 62 Seiten. — Heimkehr ins Herz. Gedichte. Von Carl Martin Eckmair. Oberösterreichischer Landesverlag, Linz 1951. 108 Selten. — Der Jahresring. Gedichte in der Mundart des Tullnerfeldes. Von Herbert Brachmann. Europäischer Verlag, Wien 1951. 62 Seiten. — Schale des Herzens. Gedichte. Von Franz Fischer. Literaria-Verlag, Wien o. J. 127 Seiten

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (34)

Priester liehe Existenz

Von Universitätsproiessor Dr. Michael Pfliegler. Tyrolia-Verlag, Innsbruck

1953

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (35)

Unde malum?

Wir sind heute um so weniger geneigt, unsere Welt mit Leibniz für die bestmögliche zu halten, als in ihr die Wirklichkeit des Bösen in einer Weise überhandnimmt, die alle unsere Vorstellungen von seiner Möglichkeit übertrifft. So muß heute nicht die Frage nach der Tateächlichkeit des Übels und des Bösen, die quaestio facti, sondern die Frage des Grundes und der Rechtfertigung, die quaestio juris, als vordringlich empfunden werden. Es wird uns daher heute ein Werk willkommen sein, das in die philosophischen Lösungsversuche dieses Problems einführt und dies mit profunder Sachkenntnis

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (36)

Das Geheimnis meines Friedens

Wenn es irgendein Thema gibt, über das der Schriftsteller nicht sprechen dürfte, so ist es, scheint mir, seine eigene Person und sein Werk. Aber ■wie könnte ich meine Gedanken von ihm und seinem Werk lösen, von diesen schlichten Erzählungen und von diesem einen französischen Schriftsteller aus vielen?Nein, ich glaube nicht, daß es Eitelkeit ist, die mich antreibt, dem nachzuforschen, was mich seit der Dämmerung meiner Kindheit auf einem langen Entwicklungswege an die Stelle gebracht hat, die ich heute einnehme.Das Stückchen Welt von ehemals, das in meinen Büchern wiederauflebt,

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (37)

Zwischeneuropa

Borderlands of Western Civilization. A History of East Central Europe. By Oskar Halecki. New York, The Ronald Press Company, 1952. 503 Seiten

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (38)

Der Friede und der Dialog

Wir fühlen, wie sehr das Problem von Krieg und Frieden uns ans Leben dringt. Und nicht nur als eines offenen Ausbruchs von Gewalt; sondern die Wurzeln des Krieges gehen ja viel tiefer hinab. Der äußere Krieg kann nur entstehen, weil der innere da ist. Worin besteht aber dieser?Darin, daß in einem begrenzten Bereich auf der kleinen Erde, die immer kleiner wird, verschiedene Initiativen wirksam sind; und nicht nur verschiedene, sondern einander widersprechende. Wie kann aber dergleichen sein? Bleiben wir beim Erkennen — wie ist es möglich, daß Menschen über die Dinge des gemeinsamen

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (39)

Kindneit in Schmerlen

Geboren vor 80 Jahren, am 11. September 1873 in Groß-Pawlowitz in Südmähren, wurde Rudolf Kassner im Alter von neun Monaten von einer Kinderlähmung befallen, an deren Folgen er sein ganzes Leben zu tragen hatte. Seit 1892 lebte er in Wien, 1900 erschien im Insel-Verlag sein erstes Buch „Die Mystik, die Künstler und das Leben“. 1918 wurde Kassner gleich Rainer Maria Rilke tschechoslowakischer Staatsbürger, obwohl er im Gegensatz zu Rilke sich immer als „leidenschaftlicher Oesterreicher gefühlt hatte“. Seit Beginn der NS-Herrschaft durfte der Insel-Verlag keine Neuerscheinungen

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (40)

Endstation: „Heimatlose Linke“?

Geheimnis und Gewalt. Ein Bericht. Von Georg K. Glaser. Scherz und Goverts-Verlag, Stuttgart 1953, 549 Seiten. Preis 15.80 DM.

1954

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (41)

Romane

Das Mädchen Amaryll. Roman. Von Johannes Rüber. Albert Langen-Georg Müller Verlag. München 1953. 180 Seiten. Preis 7.80 DM.Dieser Liebesroman ist thematisch und formal ganz anders, als man es von den meisten jungen Autoren unserer Gegenwart gewohnt ist. Die Handlung ist einfach. Marcel, der Erzähler, begegnet in Rom dem Mädchen Amaryll und muß dann mit ihr infolge der Kriegsereignisse in ein kleines Dorf im Süden ziehen, wo er im Dienste einer Widerstandsgruppe für einen Geheimsender tätig ist. Inmitten vieler Bedrohungen verleben beide jungen Menschen in naiver Sinnenfreude eine Art

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (42)

Dekadenz des Friedens

Zerstörung und Aufbau sind im Leben der einzelnen und der Völker wie Täler und Höhen des Daseins. Es ist leichter, in das Tal als auf die Höhe zu gelangen. Frieden ist der Weg bergan zum Aufbau, ist vor allem auch seelische Anstrengung, schöpferisches Sehnen, Sehen und Wollen. Krieg ist der polternde Weg bergab durch Geröll in die Schlucht des Verderbens. Unsere Kultur und unsere Zivilisation sind vielleicht keine ragenden Berge. Sicher aber stehen wir hoch genug, um fallen zu können.Sind wir an einem solchen Punkt der Dekadenz, des Abgleitens angekommen, oder geht der Weg wieder

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (43)

Dichter, Buch und Volk

Es geht eine Welle Ungeists durch die Welt, und Stimmen melden sich, die sich zu der Meinung bekennen, man habe dieses Tief als das Vorauswehen des Sturmes hinzunehmen, der sich als ein dritter Weltkrieg vorbereite. War der zweite Krieg schlimmer als der erste, so werde der dritte der wüsteste aller sein, die bisher Erde und Menschheit heimsuchten, desgleichen die Umbrüche vorher und nachher darin wir ja einige Praxis und Erfahrung haben und so weiter und so weiter ohne Ende.Ich bin ein Mann der Feder und habe im Leben viele Blumen gepflanzt; wie vermöchte ich zu solchen Schildereien etwas

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (44)

„ … sondern im Wohnhause“

Lebensgestaltung. Von Ralph Waldo Emerson. „Stifter-Bibliothek", Salzburg. 94 Seiten. S ,10.—

1955

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (45)

Uber Hilaire Belloc

Es gibt einen Typus des Alleswissers, der meist eine gesellschaftliche Plage bedeutet, so daB man sich an das Wort erinnert fühlt: „In einen hohlen Kopf geht viel Wissen.“ Doch zuweilen trifft sich's, daß der Polyhistor sein Wissen nicht durch bloßes Umladen von Buch zu Kopf, sondern kraft einer nimmermüden Denkenergie erworben hat, und dann wird aus einem zweibeinigen Nachschlagewerk ein hom*o sapiens, in dem alles Menschenbemühen sich noch einmal zusammenfaßt. Solch ein Mensch war Hilaire Belloc.Vieles traf zusammen, damit er so werden konnte. Belloc war ein Wanderer — in

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (46)

Vom irdischen Katzenjammertal und von der Unlustseuche

Sieburg beginnt mit einer Anleitung zur „Kunst, Deutscher zu sein“. Da soll etwas zur Kunst werden, was doch Natur ist, die, auch mit der Mistgabel des Kosmopolitismus, nicht ausgetrieben werden kann. Der Autor behandelt aber unter dem ein wenig irreführenden Kapiteltite) eher die bekannten und oft genug im Zerrspiegel betrachteten Tugenden und Schwächen seiner Landsleute; er findet gescheite Definitionen: „Deutschsein ist ein Schicksal, aber keine Lebensform“, ein Deutscher ist „bald Dämon, bald Spießbürger (am schlimmsten, wenn in den Spießbürger der Dämon fährt)“.

1956

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (47)

Utopie und Theater

Die Welturaufführung von Priestlcys Zeitstück „Schafft den Narren fort“ im Wiener Burgtheater hat im Publikum eine starke Resonanz gefunden. Teilnahme, Erstaunen und Befremden mischen sich hier. Viele Besucher ■ fragen; Was steckt hinter diesem merkwürdigen Stück? Unsere Skizze versucht, die große fegfecjfe Tradition aufzuzeigen, die hinter diesem „revolutionären“ Versuch steht.

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (48)

Zwischen Eis und Feuer

Arbeit und Leben des katholischen Publizisten.

1957

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (49)

Nach dem Tauwetter — Tauziehen

Die Flitterwochen Polens mit der wiedererlangten geistigen Freiheit sind vorbei und es beginnt ein stürmischer Alltag, in dem sich die Nation gegen mannigfache am Horizont aufziehende Unwetter behaupten muß. Dabei gilt es, die Wetterfestigkeit des in den Oktobertagen von 1956 eilig errichteten Baues zu erproben. Wird er allen Gefahren trotzen, die an seinen Grundfesten rütteln? Die gegenwärtigen Staatslenker scheinen sich das gleiche Motto auserkoren zu haben, wie einst, nach italienischem Renaissance-Vorbild, der polnische Dichterfürst: bisogna essere volpe e leone, es tut not, zugleich

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (50)

Der nächste Schritt

Es geschah in München. Von der Welturaufführung der Oper Paul Hindemiths „Die Harmonie der Welt” wird verzeichnet, sie habe vor einer viel größeren Oeffentlichkeit stattgefunden, als es das festlich gekleidete Publikum im Münchner Prinzregententheater an diesem Abend gewesen sei. Durch die Rundfunkstatio- nen von Kairo bis Mexiko, von Prag bis Warschau seien es „Millionen in Ost und West” gewesen, die Hindemiths Oper miterleben gönnten.Das Interesse der Radiostationen von Prag, Warschau oder Budapest an den großen kulturellen Veranstaltungen Wiens, Münchens oder Bayreuths ist

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (51)

Die Spitzhacke über der Rauchfangkehrerkirche

Im übrigen: es entspricht nicht den Tatsachen, daß alle Barockkirchen mit zu kleinem Fassungsraum schon in nächster Zeit demoliert werden sollen.(Aus „Rascher durch MatzleinsdorfI.” in der „Furche” vom 16. Juli 1955.)Die alte Matzleinsdorfer Pfarrkirche, die inmitten der Wiedner Hauptstraße steht — ein Wahrzeichen des fünften Bezirkes —, wurde heuer 238 Jahre alt. Es ist nicht sicher, ob sie ihr 250jähriges Jubiläum erleben wird. Denn sie soll abgerissen werden. Pläne sehen hier die Südeinfahrt der Autobahn vor. Da glaubt man, daß die dem heiligen Florian, dem

1958

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (52)

Ein Nachruf auf die Presse

England hat seine „zornigen jungen Männer“. Es sind dies vor allem Vertreter der „Nachkriegsgeneration“, die das allgemeine Schweigen ihrer Altersgenossen durchbrechen und zu einer lauten, freilich nicht immer klar artikulierten Kritik der Gesellschaft und ihrer Institutionen ansetzen. Und Oesterreich? Der im folgenden wiedergegebene Aufsatz, fast ein Aufschrei, eines Vertreters einer jungen österreichischen Generation über die Presse will als ein Zeitdokument gewürdigt sein. Die „Furche“ hält es für eine Aufgabe, die Ocffentlichkeit mit dem bekanntzumachen, was in den wachen Köpfen unserer jungen Generation wirklich gedacht wird über Dinge, die gerne nur leicht und von oben her sehr vorsichtig berührt werden. Mag das Urteil auch hart und verallgemeinernd erscheinen es ist besser, über das Ziel zu schießen, als überhaupt nicht zum Sprung anzusetzen. Wir hoffen, in der Zukunft öfter Zeugnisse dieser Art vorlegen zu können.Die Redaktion

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (53)

Der diplomatische Januskopf

In der New-Yorker liberalen Zeitschrift „The New Leader“ hat kürzlich Reinhold N i e b u h r, der bedeutendste protestantische Theologe Amerikas, unter der Ueberschrift: „The Janus Face of American Diplomacy“ zwei sich gelegentlich ergänzende, gelegentlich einander ausschließende Verhaltensweisen der amerikanischen Außenpolitik einander gegenübergestellt.„Ob siedas selbst wissen oder nicht“, meint der Verfasser, „Eisenhower und sein Außenminister Dulles repräsentieren in Weg und Ziel der amerikanischen Diplomatie zwei verschiedene Grundauffassungen.“ Auf der einen Seite

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (54)

Die Idee der Weltherrschaft

Nicht häufig begegnet man einem Buch wie diesem, das einen ausgedehnten Stoff in geistreicher und geisterfüllter Weise zu bewältigen weiß; das ihn originell zu erfassen und darzustellen versteht und das bei aller Vertrautheit mit den Methoden der Geschichtswissenschaft eine Form hat, die es den breitesten Kreisen der Leser zugänglich macht. Damit sind aber die Vorzüge des außerordentlichen Werkes nicht erschöpft. Es gewährt auch den Zünftigen — Historikern, Geschichtsphilosophen und Politikern, Völkerpsychologen und Publizisten — so mannigfache Anregung, es rührt an so viele

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (55)

Polen im Jahre 3

Gleichmäßig rollt der Wagen im 90-Kilometer-Tempo gegen Westen. Polens große Landstraßen sind ein Paradies für mitteleuropäische Automobilisten. Zumindest am hellichten Tag. Nur alle heiligen Zeiten — einmal ist sogar eine geschlagene Dreiviertelstunde vergangen — begegnet man einem Kraftfahrzeug. Weniger sympathisch sind die gerne mitten auf der Fahrbahn trabenden Pferde der Bauernwägelchen. In der Nacht können sie sogar lebensgefährlich werden, Schlußlichter sind nämlich eine Glückssache. Bei der alten, noch aus der Zarenzeit stammenden Festung Modlin hatten wir am frühen Morgen von Warschau kommend die Weichsel zum erstenmal überschritten. Ihrem Lauf am nördlichen Steilufer folgend, durchquerten wir das kleine, von den Strahlen der letzten Herbstsonne vergoldete Flußstädtchen Plock. Die mächtigen roten Türme der in nordischer Backsteingotik erbauten Marien- und Johannes kirche kündigten das alte Thorn (Thorun) an. Hier hieß es Abschied von der Weichsel nehmen, die in nördlicher Richtung der gar nicht mehr allzuweiten Ostsee zustrebt. Knapp vor Gnesen (Gniesno) fiel die Dämmerung rasch ein. Als wir in dem Dom dieser alten Bischofsstadt, der von geübten Restauratoren soeben auf seine ursprünglichen gotischen Formen zurückgeführt wird, vor dem Schrein des heiligen Adalbert — eines. der beiden polnischen Landespatrone — standen, dunkelte es bereits sehr. Eine Stunde später, als die ersten Lichter den Stadtrand von Posen (Poznan) verrieten, war es bereits Nacht. Posen war das erste Tagesziel einer Reise, die uns mit einem „kleinen Umweg“, der bis zu den beiden Schicksalsflüssen Oder und Neiße und durch Schlesien führte, nach Hause bringen sollte.

1959

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (56)

Welt und Umwelt im Roman

DAS TIER IM DSCHUNGEL. Erzählung. Von Henry James. Aus dem Englischen übertragen von Helmut M. Braun und Elisabeth Kaiser. Piper- Verlag, München. 68 Seiten.Das Unwiderrufliche, das Einmalige, das besonders Auswählende gibt es in jedem Leben. Aber daß darnach einer sucht, weil er es im Kommen meint — das ist „englisch"; das gehört zur Literatur, die den Engländern Vorbehalten bleibt. In dieser „Erzählung" ist es Begegnung, ist es Bleiben, ist es vor allem der Tod, der geahnt wurde. Ist es nicht seltsam,-daß wir Heutigen im Kleinen des individuellen Lebens das Große des

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (57)

Der Schatten Winkelrieds

ieses Experiments kann von unabsehbaren Folgen für die Zukunft sein — nicht nur für Polen.

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (58)

Flaschenpost aus Polen

DIE MUTTER DER KÖNIGE. Roman. Von Kazimierz Brandys. Aus dem Polnischen von Wanda Bronska-Pampusch. Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln-Berlin. 225 Seiten. Preis 14.80 DM. — DER HÖHENFLUG. Von Jaroslaw I w a s z k i e w i c z. Albert-Langen-Georg-Müller-Verlag, München. 113 Seiten. — DER KANAL. Erzählung. Von Jerzy Stefan Slawinski. Uebersetzung von Lydia Brenner. Eduard Wancura Verlag. 104 Seiten. Preis 34 S. — LEKTION DER STILLE. Neue polnische Lyrik. Ausgewählt und übertragen von Karl D e d e c i u s. Carl-Hauser-Verlag. 83 Seiten. Preis 6.80 DM

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (59)

BRIEFE AUS WIEN

Gegen Ende des Jahres, in dem Hofmannsthal seinen 85. Geburtstag hätte feiern können und in dem man Seines 30. Todestages gedachte, wurde mit der Veröffentlichung des Bandes „Aufzeichnungen” die bei S. Fischer erscheinende und von Dr. Herbert Steiner betreute Gesamtausgabe seiner Werke abgeschlossen. Dieser Band enthält die Aphorismensammlung „Das Buch der Freunde”, Aufzeichnungen und Tagebücher aus den Jahren 1890—1929, Fragmente einer Selbstinterpretation, einige Dramen- und Ballettentwürfe sowie fünf Briefe an die amerikanische Zeitschrift „The Diial", die Hofmannsthal in den Jahren 1922—1924 unter dem Titel „Vienna Leiters” dort erscheinen liefj. — Das deutsche Originalmanuskript fand sich in Hofmannsthals Nachlafj und wird jetzt zum erstenmal veröffentlicht. Wir bringen zwei dieser Briefe, leicht gekürzt.

1960

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (60)

Deutschland, Polen und Europa

In den letzten Wochen wurde die Weltöffentlichkeit durch die Reden polnischer Bischöfe, nicht zuletzt des Kardinals von Warschau, auf die brennende Bedeutung der deutsch-polnischen Beziehungen aufmerksam gemacht. Polens Bischöfe sind der Ansicht, daß in Bonn ein alter deutscher Militarismus vordränge, und vertreten dieselbe Uberzeugung wie die Redaktionsgemeinschaft von „Wiez“, die auf Einladung der „Furche“ am 3. September den Standpunkt dieser polnischen Katholiken hier zur Diskussion stellte. Leider war es damals, zu unserem Bedauern, nicht möglich, sofort die deutsche Antwort zu bringen, der von uns gebetene deutsche Partner war beruflich überlastet und stellt sich erst jetzt zum Gespräch. Wir glauben jedoch, daß gerade die von polnischer Seite weiterhin vorgetragenen schweren Bedenken dem Wort dieses bekannten deutschen katholischen Publizisten eine erhöhte Aktualität geben. Prof. Smolka hat sich nach 194$ besonders um die deutsch-französische Begegnung verdient gemacht. Seine Antwort an die polnischen Glaubensgenossen und politischen Gegner zeigt, wie ernst ihm die noch ungleich schwierigere, noch belastetere Begegnung zwischen Deutschen und Polen ist. Wir in Österreich haben die Verpflichtung, unsere Neutralität nicht zuletzt in diesem Sinne positiv einzusetzen. „Die Furche“

1961

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (61)

Zeiten und Zonen im Spiegel

FLANDERN — DAS NÖRDLICHE BELGIEN. Von Alfred van der Essen. Unter Mitarbeit von A. Mabille de Poncheville. Verlag Andreas Zettner, Würzburg. 244 Seiten, 172 Abbildungen. Preis 19.80 DM.

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (62)

Jenseits von Weichsel und Bug

Still ziehen die Wasser von Weichsel und Bug. Wer im Westen vernimmt noch ihre Botschaft. Kaum einer hört ihren Ruf. Und dabei sind beide genau so europäische Schicksalsflüsse wie der ferne Rhein und die einst heißumstrittene Marne. Vergessen, Unwissenheit und Indolenz haben ihren Vorhang vor den Ländern und Menschen des Ostens gesenkt, einen Vorhang, der vielleicht noch dichter ist als jener „Eiserne”, den die Weltpolitik zog.Darum ist es gut, daß einige deutsche Verlage uns auch dieses Jahr wieder Botschaft geben, daß an Weichsel und Bug nicht die Welt zu Ende ist.Allen voran muß

1962

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (63)

Dämmerung des Nationalmasodiismus?

DER MODERNE MACHIAVELISMIS.- Von Erwin FauI- Verla8 Kiepenheuer & Witsch, Köln. 256 Seiten. Preis 19.80 DM. DIE URSPRÜNGE DER TOTALITÄREN DEMOKRATIE. Von J. L. Talmon. Westdeutscher Verlag, Köln-Opladen. 352 Seiten. Preis 24 DM.INSUL DER HEILIGEN UND REBELLENwird Irland, das „grüne“ Eiland am Ende Europas genannt. Hier hatte der Katholizismus in der Zeit zwischen dem 6. und 12. Jahrhundert, „im goldenen Zeitalter“ der Insel, seine Hochblüte erlangt. Im Verlauf der Geschichte wurde hier gegen die anglikanische Kirche und den neuen, aufgezwungenen Glauben mit bewundernswerter

1963

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (64)

IN DER CASA CAROSSA

In Passau verläßt man den Zug. Auch im Winter und im frühen Frühling, da noch Schnee auf den Hängen liegt, die einst 6chöne Weinberge getragen haben, kann die 2000jährige Stadt an den drei Flüssen — mit den flachen Dächern, den anmutigen Uferpromenaden und den vielen italienisch-barocken Bauwerken — ihren südlichen Charakter nicht verleugnen. Die 37 Kirchen und Kapellen verleihen der eher klein Wirkenden'ein geistliches Gepräge. Man hat Passau, das, nach Humboldts Meinung, zu den sieben schönsten Städten der Welt zählt, das bayrische Venedig, die Schwesterstadt Salzburgs, die

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (65)

ÜBER CHARLES PEGUY

“VT it Pėguys Nachruhm ist es seltsam gegangen. Als Einund- 1Y1 vierzigjähriger ist er in der Marneschlacht gefallen — am 5. September 1914 bei der Attacke über ein Kornfeld nahe Villeroy, 22 Kilometer vor Paris, und erst durch diesen Soldatentod, den man schon damals als symbolisch empfand, ist er der weiteren französischen Öffentlichkeit bekannt geworden.Das war aber nur ein erstes Aufleuchten. Noch in den zwanziger Jahren wurde er gerade von den literarischen Wortführern totgeschwiegen oder geringschätzig abgetan; es war charakteristisch, daß ihn Andre Gide, ohne merklichem

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (66)

ROMANAUTOREN UND KRITIKER

"Von den namhaften Romanautoren, die alle etwa zehn Jahre älter als ich waren, kannte ich Hugh Walpole am besten. Wir waren gute Freunde, besonders in den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren. Wir arbeiteten gemeinsam an einem romanartigen Buch mit dem Titel „Farthing Hall“. Die Geschichte wurde in Briefen erzählt, die ein Gelehrter mittleren Alters und ein enthusiastischer junger Mann miteinander wechselten. Obwohl ich weder mittleren Alters noch ein Gelehrter war, zog ich diese Rolle vor und überließ Walpole den jugendlichen Eifer und die Schwärmerei. Vielleicht ist nicht

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (67)

Literarische Ursprünge des Marxismus

FRANZÖSISCHES THEATER DER AVANTGARDE. Herausgegeben von Joachim Schondorff. Verlag Langen-Müller, München, 1963. 498 Seiten, Paperback, Preis 7.80 DM. - UND NEUES LEBEN BLÜHT AUS DEN KULISSEN. Von Manfred Vogel. Hans-Deutsch-Verlag, Wien-Stuttgart-Basel, 1963. 288 Seiten, Preis 160 S. — DRAMEN. Von Max Zweig. Hans-Deutsch-Verlag, Wien-Stuttgart-Basel. Band I, 362 Seiten, Band II, 312 Seiten. Preis 95 S je Band.

1964

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (68)

DER VERLIEBTE ÖSTERREICHER ODER JOHANNES BEER

Auch Vetter Johannes war so ein verliebter Österreicher, ein Mann, der unsere Welt wohl durchschaut, aber doch nie aufhören kann zu streben, der die Hohlheit des Ehrgeizes erkennt und trotzdem Achtung erringen will, der die bürdelose. Einsamkeit ersehnt und sich eine vielköpfige Familie aufhalst: ein Mann mit allen Widersprüchen, die uns dieses männliche Leben in seinem immerwährenden Hin und Her zwischen Erkenntnis und Tat beschert. Wenn es auch (und da glaube ich ihn ganz zu verstehen) dunkle Stunden gab, liebte er doch letzten Endes das Leben; wenn er auch über die Menschen

1965

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (69)

Wien ist uns naher

„WIR HABEN MIT DEN SERBEN UND Kroaten nur die Armee, die Außenpolitik und das Geld gemeinsam“, erklärte mir ein slowenischer Schriftsteller mit aller Entschiedenheit. Die insgesamt 1,8 Millionen zählenden Slowenen entwickeln unter den Völkerschaften Jugoslawiens das stärkste Selbstbewußtsein, sie vermerken mit Stolz, daß sie den kultiviertesten, zivilisiertesten, nämlieh westlichsten Teil des Staates bewohnen, und es heißt: „Mit den Kroaten waren wir immerhin schon in der Zeit des alten Österreich beisammen, aber was verbindet uns mit den Serben oder den Makedoniern, die bis

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (70)

GRENZLANDSCHAFT DER DEUTSCHEN SPRACHE

Der Saarländische Rundfunk führte während der Jahre 1960 bis 1962 eine Sendereihe mit dem Titel „Lyrik in dieser Zeit“ durch. Ihr Autor Dieter Hasselblafct, der seine Fragen mit Spürsinn und Schärfe zu stellen verstand, warf beiläufig zu bedenken ein, die großen und reinsten Dichtungen deutscher Zunge stammten in diesem Jahrhundert bisher fast alle von den „Außenstellen deutscher Sprache“ her. Er dachte — und wir wollen seine Wertung, so sehr sie auch wieder erwogen werden müßte, um der These willen gelten lassen — an die Prager Kafka und Rilke, die Österreicher Trakl

1966

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (71)

BON VOYAGE!

Wir haben kein Meer; aus eigener Erfahrung kenne ich die Gefühle eines Menschen nicht, der als geladener Gast einem Stapellauf beiwohnt. Viele Menschen müssen viel Arbeit verrichten, bevor der Augenblick kommt, da die traditionelle Champagnerflasche am Bug des fahrbereiten Schiffes zerschellt, bevor — einer Zauberformel gleich — sein Name mit dem Wunsch „Gute Fahrt!“ zum erstenmal ausgesprochen wird. Diese Gefühle ähneln vermutlich den meinen, da mir nun, obwohl ich kein Verdienst habe am Bau dieses Schiffes und das Risiko der Meerfahrt mit der Besatzung nicht teile, die ehrenvolle

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (72)

Eiserner Vorhang 1966

MOSAIK DER KONTAKTE. Ungarischer Auftakt. Eines der großen USA-Reisebüros hat für seine osteuropäischen Propagandaprospekte eine nicht unzutreffende Formel gefunden, die wir an die Spitze unserer Ausführungen stellen möchten:„Eine Fahrt durch Osteuropa (heißt es) kann nur dem empfohlen werden, der in seinem Herzen ein Abenteurer ist und der nicht seine Lust an einer ungewöhnlichen Reiseerfahrung durch gelegentliche kleinere Unbequemlichkeiten oder durch den Mangel an entsprechenden persönlichen Annehmlichkeiten sich verderben läßt.In der Sowjetunion und in den osteuropäischen

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (73)

Der rote Balkangürtel

FERNERSTEHENDE STELLEN sich noch immer die Zonen des sozialistischen osteuropäischen Blocks als ein gesamtes monolithisches Gebilde vor. Auch Touristen unterliegen leicht diesem Eindruck, sobald sie ihre voreiligen Schlüsse aus einzelnen Details ziehen. Gewiß steht eines fest, was abzuleugnen sinnlos wäre: Zwischen Ost- und Westländern besteht heute noch, wenn auch nach Stufen abzuordnen, ein bemerkenswerter Unterschied des Lebensstandards.Der Westen, Europa und die USA, hat es leicht, überzeugende Elemente des täglichen Augenscheins in die Waagschale zu werfen und als Argumente der

1967

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (74)

LOCKENDE TIEFE DER OBERFLÄCHE

Die noch reicher Abwandlung fähigen Begriffspaare modern — alt, fortschrittlich — rückschrittlich, revolutionär — reaktionär gehören zu jenen billigen Denkkategorien, mittels derer jugendliche Unreife und erwachsene Denkfaulheit sich in ein Denken hineinzusteigern vorgeben. Was heißt schon modern oder überholt? „Modern heißt heute, was morgen als die Mode von gestern erkannt werden wird“; und sogar „Alt-Wien“ war einmal eine Neuheit. „Die eine Schlange steckt der andern, sie und sich selbst erstickend, im langen Hals.“ Paris von Gütersloh, von dem die Zitate stammen,

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (75)

Abschied von Wien

Ein Abschied von Wien fällt immer schwer. Auch wenn die nächste Station Paris heißt. Denn Wien ist eine so menschliche Stadt, das heißt, eine Stadt, in der Freude und Verstimmung, Natur und Kunst, Großzügigkeit und kleinliches Greißlertum, Lebenslust und Lebenstraurigkeit eng beieinander liegen wie nur in einem menschlichen Leben. Wien ist keine Stadt der Gegensätze, sondern der Geschlossenheit, auch wenn bei Empfängen in Schönbrunn noch nach spanischem Zeremoniell verfahren wird, während gleichzeitig am 1. Mai über die Wiener Ringstraßen die roten Fahnen wehen wie sonst nirgends

1968

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (76)

„DAS OHR INS OHR LEGEN ..

Im Jahre 1967 erschien im Heimatverlag Krems als 55. Band einer Reihenproduktion ein schmales Bändchen merkwürdiger Kurzgeschichten unter dem Titel „Der Himmel war lila“. Die sieben kleinen Erzählungen geben den Preisrichtern recht, die 1964 ihrem Verfasser, dem in Villach lebenden steirischen Dichterarzt Heinz Pototschnig den Kurzgeschichtenpreis der Peter-Rosegger-Stiftung verliehen haben. Ein Jahr später bereits erhielt der Dichter den Theodor-Körner-Preis für Literatur und zwei Jahre darauf den Ludwig-Ficker- Gedächtnispreis.Die Leser und Kenner der von Hans Leb begründeten und

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (77)

UNRUHE DER VERANTWORTUNG

Ich verbrachte die Nacht in Orvieto in einem kleinen Palais, das zu einem Hotel umgebaut worden ist. Dicke Wände, - Gewölbe, große, -hohe ‘.Fenster,--uni;’in mein Zimmer zu gelangen,.muß ich Bdurch : einen .verstgpbten Balkon gehen-, die Mäuse rascheln. Von der Straße her dringen üie Laute flanierender Passanten. Mädchen, Soldaten, Burschen in schneeweißen Nylonhemden und engen Hosen ohne Umschlag schlendern dort unten entlang, stehen vor den Biars und an den Straßenecken, rufen einander lachend etwas zu. Dann wird alles still. Die Nacht nistet sich in den Mauem ein, vom Himmel

1969

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (78)

Die gestundete Zeit

„Die gestundete Zeit“ ist der Titel von Ingebong Bachmanns erstem Gedichtband, welcher sie im Jahre seines Erscheinens 1953 mit einem Schlag berühmt gemacht hatte. „Mit einer lässigen Selbstverständlichkeit“, schrieb damals Günter Blöcker, „hat diese junge Frau fleißige Epigonen und emsige Interessengemeinschaften überrundet.“ Geboren in Klagenfurt, studierte sie in Innsbruck, Graz und Wien zunächst Rechtswissenschaften, wandte sich aber dann ausschließlich der Philosophie zu. Vor allem interessierte sie der Wiener Kreis und Wittgenstein, ihre Dissertation schrieb sie

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (79)

Polen heute

„Sie werden sehen, es wird nicht lange dauern, bis ,man‘ mich zwingt, es zu entfernen“, sagte mit Entrüstung eine polnische Lehrerin zu uns und wies dabei auf das an einer Wand ihres Klassenzimmers hängende Kruzifix.„Man“ bedeutet: das Regime. Und „man" wird sich hüten, etwas Derartiges anzuordnen! Überall in Polen hängen Kruzifixe an den Wänden des Schulzimmers, und der Katechismus gehört zum Lehrplan. Es gibt in dieser sozialistischen Republik so gut wie keine laizistischen Schulen.In den 6000 Gemeinden Polens sind15.000 vom Staat besoldete Priester im Amt. Daneben

1973

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (80)

Ärgernisse eines schönen Sommers

Die Sonne leuchtet. Der Himmel blaut. Die Barometernadel ruht wie festgenagelt. Das europäische Hoch bedeckt den ganzen Fernsehschirm und die nächtlichen Gewitterreste sind nur die Irrlichter eines verspäteten Elfenreigens auf einer Almwiese irgendwo in den Bergen. Aus den Autokolonnen verschwinden die letzten österreichischen Kennzeichen.Das Leben wird geheimnisvoll und schwierig. Denn eines Tages geschieht das Unvermeidliche. Besuch kündigt sich an. Das Schicksal ist zu preisen, daß er sich überhaupt ankündigt und die Familie nicht unvermutet überfällt. In die Freude darüber, nach

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (81)

Che Guevara und Mondmann

Das konventionelle Kinder- und Jugendbuch, das noch immer zu Millionen grassiert, hat sich in den letzten 20 (oder 40) Jahren kaum verändert. Um so mehr das gesellschaftlich und/oder künstlerisch engagierte, wobei die Autoren der Jugendbücher neue gesellschaftliche Realitäten begreifbar zu machen und kritisches Bewußtsein zu wecken versuchen, während im Kinderbuch die Textautoren den Innovationen der Zeichner und Maler oft nachhinken. Während letztere die Realität verfremden und visuell in Frage stellen, suchen die Schreiber mühsam nach Worten.Kein Wunder also der relativ hohe Anteil

1974

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (82)

Die verschwundene Pieta

Gibt es Stifters „Rosenhaus“ und Thomas Bernhards „Kalkwerk“, Kafkas „Schloß“ und Barbara Frischmuths „Klosterschulc“ in der Wirklichkeit? Sind Joseph Roths „Hotel Savoy“ und ödön von Horväths „Pension zur Schönen Aussicht“ Phantasiegebilde oder haben die Dichter sie realen Modellen nachgestaltet? Wo spielt Handkes Roman „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“, was ist aus Roseggers ..Wahlheimat“ und Doderers Strudlhofstiege geworden, wie hat sich Molnärs Liliom-Welt verändert? Hat es einen Sinn, die Suche nach Georg Trakts „Grodek“ aufzunehmen, nach Musils „Grigia“-Landschaft und nach Wildgans' „Übelbach“? Dietmar Grieser, Wahlösterreicher seit vielen Jahren und Literaturtourist aus Leidenschaft, hat sein Gastland und die angrenzenden Gebiete — vom heute sowjetisch verwalteten ehemaligen Galizien bis zur deutschen Sprachinsel in der Bergbauerneinöde der italienischen Dolomiten — nach jenen Plätzen durchforscht, die die Schriftsteller in ihren Werken zum „Ort der Handlung“ bestimmt haben, und er ist dabei — mit journalistischem Spürsinn und dichterischem Einfühlungsvermögen — zu den erstaunlichsten Ergebnissen gelangt. Seine Reisebilder sind nicht nur eine fesselnde Lektüre für jeden Literaturfreund, sondern zugleich Modell für einen neuen, anspruchsvollen Typ von Hobbytourismus — etwa von der Art: Südtirol — Hofmannsthal inbegriffen, Burgenland ä la Werfel, mit Altenberg nach Altenberg. Eine faszinierende Welt jenseits der ausgetretenen Fremdenverkehrspfade tut sich auf, und Dietmar Grieser lädt seine Leser dazu ein, auf eigene Faust und je nach Neigung weitere Teile dieser Welt zu erschließen. Sein Buch mit dem Titel „Schauplätze österreichischer Dichtung“ wird im Herbst 1974 im Langen-Müller-Verlag, München, erscheinen.

1976

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (83)

Sonne und Blitzblank

Helen Bradley ist nicht nur eine naive Malerin, die der vielzitierten Grandma Moses kaum nachsteht, freilich auch aus einem reicheren Fundus an Vorbildern - einschließlich Grandma Moses - geschöpft haben könnte, sondern sie kann auch schreiben. Auf dieselbe naive Weise, wie sie in ihren Bildern Reales und Geträumtes mischt, vereinen sich in den Geschichten ihres neuen und - in deutscher Übersetzung von Elisabeth Schnack - nunmehr dritten Buches „Zum Tee bei Tante Anna“, die mündlich überlieferten und in einem dem amerikanischen Alltag sehr ähnlichen Himmel angesiedelten biblischen Geschichten mit realen, aber ins Traumhafte entrückten Kindheitserinnerungen. Seit dem „Bilderbuch von Nellie Blei“ sind die Bücher von Helen Bradley eine Gattung Kinderbücher für sich, die vor allem bei sehr phantasiebegabten - aber auch bei eher introvertierten - Kindern sehr gut ankommt Sie eignen sich besser zum Vor- als zum Selberlesen und werden oft entweder abgelehnt - oder sehr heftig geliebt Vielleicht wird man eines Tages Helen Bradley als Klassikerin naiver Erzählkunst entdecken - immerhin richtet sich in ihrem neuen Buch Gott oben im Moor gemütlich in seiner Hütte ein, holt sich aber, da es ihm bald zu trübe wird, die Sonne vom Himmel herunter und poliert sie mit „Blitzblank“. Assoziationsfetzen aus der Bibel verbinden sich mit solchen aus der Werbung zu einem eigenartigen Märchenteppich, der auch - oder gerade? - auf Erwachsene eine eigenartige, anziehende Wirkung ausübt (Artemis Verlag, Zürich, 32 Seiten, S 188.60.)

1982

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (84)

Aus Schwejks Land

Ein Tscheche, Jahrgang 1941, seit drei Jahren in der Bundesrepublik Deutschla lebend, richtet sich literarisch in einer Welt ein, die nicht die seiner Muttersprache ist: Zwei Texte, geprägt von der Erfahrung des Exils.

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (85)

Die Dichter Polens träumen frei

Uneingestanden ideologisch und intolerant erscheint die deutschsprachige christliche Lyrik gegenüber den unbekümmerten polnischen Gedichten und Gebeten.

1984

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (86)

Im Lichte der Nordrose

Manche Entwicklungen scheinen nach kurzer Zeit eine Eigengesetzlichkeit zu gewinnen, der entgegenzutreten immer schwerer wird: umso hartnäckiger sollte man dies aber tun. Wir befinden uns nun in einer Verdichtung apokalyptischer Gefühle, deren Herkunft so verständlich und gerade deshalb auf alarmierende Weise verhängnisvoll ist. Es geht dabei nicht allein um den Schreckenseffekt der Atombombe, sondern um die unübersehbare Vielfalt von Folgeerscheinungen, deren man sich kaum bewußt wird.Das Eindringen der apokalyptischen Stimmung verändert das Verhalten der Menschen bis in

1985

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (87)

Gelassenheit statt machtvollem Wollen

„Umdenken!” - dieser Schlachtruf moderner Gesellschaftskritiker ist die große Hoffnung der „Alternativler”. Ist aber ein neues Weltbild, Ergebnis möglichen Umdenkens, der Ausweg aus der Krise?

1988

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (88)

Gespräch im Park

Das Seltsame, Absonderliche, die Ausnahme von der Regel haben eine eigene Anziehungskraft, und die Erzähler haben sich zu allen Zeiten dieses Reizes gern bedient. Aber auf keinem anderen Felde scheiden sich gemeinhin so schnell und deutlich das Gewachsene, Durchlebte, Echte vom nur Gemachten, schnellfertig Ausgeheckten oder mühselig Zusammengeschwitzten, und die Ernte von der ersten Art ist niemals groß und reich gewesen. Johannes Moy aber... sieht schärfer und tiefer bis zu jener geheimen Sphäre, in der Wesen und Schicksal nur noch zwei Worte für ein und dasselbe sind.“Das ist ein

1991

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (89)

Gefecht mit dem Hirnlosen

(pp)-ln Polen, dem Land, dem das Jalta-Abkommen die Gestalt gegeben hat, bildete sich nach 1945 eine neue, phantastische und überaus launische Wirklichkeit heraus. Damals wußte noch niemand, selbst die Kommunisten nicht, was diesem Ei entschlüpfen würde. Die traditionellen Handlungsregeln erweisen sich als trügerisch und wurden wenig brauchbar. Der Begriff „schaffende Intelligenz” nahm unbewußt eine verdächtige, zweideutige Bedeutung an. Der Osten, der nach dem Krieg nicht an den Erfahrungen des Westens teilnehmen konnte, war sich also nicht recht bewußt, bis zu welchem Grade er in

1994

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (90)

Für das sprachliche K unstiverk

Es geht um Europa, das vereint werden soll. Aber, so hört man die Frage, ist es denn nicht schon vereint? Keineswegs.

2003

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (91)

Dostojewskijs Erben

Russland ist Gastland der Frankfurter Buchmesse 2003. Kostproben aus dem vielfältigen Schaffen eines weiten Landes.Was weiß man hierzulande schon über russische Literatur? Viele sind wohl über Dostojewskij, Tolstoj und ihre Zeitgenossen kaum hinausgekommen. Jewtuschenko ist wahrscheinlich noch ein Begriff. Und Solschenizyn natürlich, der vom Archipel GULAG in den letzten Jahren dazu übergegangen ist, den Krieg gegen Tschetschenien zu verteidigen.Weitgehend unbekanntVielleicht kennt man auch noch den einen oder anderen jungen Autor, der den Sprung in einen deutschen Verlag geschafft hat.

2004

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (92)

Drago Jančar: Angst bei offener Tür

Was wird aus dem Europa der Ränder, der kleinen Völker und ihrer Kulturen, welche Zukunft hat die slowenische Sprache? Ein Plädoyer für Nachbarschaften mit kreativen Unterschieden.

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (93)

Tod, Alter, Körper

Andrzej Stasiuks Essays trösten sogar in ihrer Illusionslosigkeit.Es ist seltsam, wie tröstlich Illusionslosigkeit sein kann. Ein Wort, ein Satz, die mitten in eine denkfaule Vorstellung z. B. von Glück hineintreffen, und statt enttäuscht zu sein oder voller Abwehr, ist man zu seiner eigenen Überraschung erleichtert. Ein Gefühl, das sich während der Lektüre von Andrzej Stasiuks Essays oft einstellt. Er schrieb die Texte zwischen 1993 und 2000 für verschiedene polnische Zeitschriften und für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. In den Parabeln ähnlichen Kurztexten, die Szenen aus des

2008

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (94)

Ein frischer Wind

Andrzej Stasiuks Reiseskizzen erzählen vom anderen Europa.Billardlokale in Albanien, Soldatenfriedhöfe in Polen: Andrzej Stasiuk liebt es zu reisen - in die äußere Wirklichkeit wie in die innere. In seinem neuesten Buch "Fado" finden sich subtile Beobachtungen und Reflexionen eines obsessiv Reisenden, der unterwegs ist in Gegenden, die von Touristen eher selten besucht werden.Seine "Reiseskizzen" genannten Erzählungen sind gleichzeitig auch Reisen in die Literatur Osteuropas und ein Nachdenken über archaische Landstriche, die noch wenig mit der Europäischen Union zu tun haben. Die

2010

Europa Lesen

Über einige Versuche, mit mitteln der literarischen reportage dasneue europa zu erkunden.

2011

Geschäft Der Zukunft

ANDRZEJ STASIUKS NEUER ROMAN: EINE ROAD NOVEL ÜBER DEN HANDEL -AUCHMIT MENSCHEN.

2014

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (95)

Ich ist ein anderer

Wie zeitgenössische Autoren Romane aus dem eigenen Leben machen und in der Fiktion der Wahrheit auf den Grund gehen.Das Buch muss die "Axt sein für das gefrorene Meer in uns“, schreibt Franz Kafka. Natürlich spricht der Autor hier von sich selbst. Es ist das eigene Leben, aus dem er den Angststoff für seine Romane nimmt. Doch andererseits ist K. nicht Kafka, und der Roman "Der Proceß“ erzählt nicht das Leben des Autors, sondern das eines etwa gleichaltrigen Bankangestellten. Imitation und Simulation sind zwei Betrachtungsseiten lebensnaher Literatur. Wenn Autoren ihr eigenes

2017

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (96)

Eine besondere Art der Landes-Kunde

Karl-Markus Gauß hat Osteuropa bereist: In "Zwanzig Lewa oder tot"verflicht er Geschichte, Reportage und Biografie zu einememphatischen Appell, Kultur und intellektuelle Ressourcen auch"flussabwärts" der Donau in ein europäisches Narrativmiteinzubeziehen.

2021

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (97)

Stille Post: Fünf Briefe zu Weihnachten

An einen Menschen schreiben, was es zu sagen gibt: Die Schriftstellerin Katharina Tiwald hat genau das getan. Ob die Botschaft die Adressaten erreicht, ist irrelevant. Fünf Weihnachtsbriefe als Konfrontation.

2022

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (98)

Catalin Dorian Florescu: Erzählen. Phantasieren. Überleben.

In seinem ein ganzes Jahrhundert umspannenden Roman „Der Feuerturm“ erzählt Catalin Dorian Florescu vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse in Rumänien die Geschichte einer Familie.

Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (99)

Radikale Gegenwart: Über Theologie und eine verdunkelte Kirche

In seiner Abschiedsvorlesung machte der Grazer Pastoraltheologe und langjährige FURCHE-Kolumnist Rainer Bucher Anmerkungen zu den aktuellen Konstellationen der Theologie. Hier seine Rede im Wortlaut.

von

Georg Dox

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Andrzej Stasiuk: „Nichts verstellt die Sicht" (2024)
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Author: Tish Haag

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Name: Tish Haag

Birthday: 1999-11-18

Address: 30256 Tara Expressway, Kutchburgh, VT 92892-0078

Phone: +4215847628708

Job: Internal Consulting Engineer

Hobby: Roller skating, Roller skating, Kayaking, Flying, Graffiti, Ghost hunting, scrapbook

Introduction: My name is Tish Haag, I am a excited, delightful, curious, beautiful, agreeable, enchanting, fancy person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.